Niemand hat wohl die damalige Mark Brandenburg gründlicher durchwandert als Theodor Fontane.
Er interessierte sich in den „Wanderungen“ weniger für abstrakte, männlich geprägte Machtstrukturen als für charakterliche Profile: Er porträtiert Gutsdamen und -herren, Pastoren, Offiziere und andere lokale Autoritäten mit ihren Eigenheiten, Tugenden und Schwächen und zeigt, wie sie „ihre“ Dorfgemeinschaften prägen. Diese Figuren verkörpern ein Verständnis von Führung, das an Stand, Herkunft, Besitz und militärische oder kirchliche Rangordnung gekoppelt ist und Verantwortung eher paternalistisch als partnerschaftlich ausübt.
In seinem 1861 erschienenen Band "Die Grafschaft Ruppin" beschreibt Fontane (damals 42 Jahre alt) Führungsqualitäten, die heute etwas skuril anmuten, oder etwa nicht?
In dem Kapitel "Auf dem Plateau" über das Gut Ganzer charakterisiert Fontane die "treffliche" Frau von Jürgaß und ihre Art einen großen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen. Diese habe, Zitat: "sich plötzlich an der Spitze einer großen Landwirtschaft befunden, deren ganzer Betrieb ihr fremd gewesen war. Schnell aber war ihr Entschluss gefasst, sich unbefangen in die Lehre einer tüchtigen Haushälterin zu geben, um nun, gleichsam von der Pike an, bis zur Hausfrau hinaufzudienen. Keine Arbeit war ihr dabei so niedrig oder so schwer, daß sie sie nicht mit eigenen Händen angegriffen hätte, jedem Dienstboten lernte sie die Kunstgriffe seines besonderen Amtes ab und gelangte so sehr bald dazu, sich sowohl den klaren Überblick über das Ganze wie die genaue Kenntnis aller Einzelheiten zu verschaffen."
Auch heute kommen nicht selten neue Führungskräfte in Organisationen, deren Abläufe sie erst kennenlernen und beurteilen lernen müssen. Es ist immer eine gute Idee, sich von allen Beschäftigten in deren Verantwortungsbereich sich einmal alle Arbeitsplätze und Abläufe erklären zu lassen. Nicht nur aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht macht das total Sinn.
Weiter heißt es bei Fontane: "Ich denke, es war nach Jahresfrist, daß sie sich selbst das Zeugnis ausstellen konnte, Herrin der Situation geworden zu sein. Und nun folgte der zweite energische Schritt: die gesamte Dienerschaft, von der obersten bis zur letzten Stufe, wurde mit einem Schlage entlassen und durch eine ganz neue und fremde Schicht ersetzt. Denn keiner im Hause sollte die Herrin als Schülerin gekannt haben, vielmehr sollte der alleinigen Autorität ebendieser durch Kenntnis des Voraufgegangenen kein Abbruch geschehen. Sofort ging es jetzt ans Befehlen und Selbstregieren, und kein Feldherr hat wohl je seinen Kommandostab sicherer geführt als diese echte Soldatentochter."
Holla, was ist da passiert? Das kommt doch heute hoffentlich nicht mehr vor, oder etwa doch?
Gut das wir heute ein anderes Verständnis von Führung haben. Moderne Ansätze wie transformationale oder dienende Führung betonen Vision, Beteiligung, individuelle Förderung und die Entwicklung von Selbstverantwortung im Team. Gefragt sind heute Kommunikationsstärke, Coaching-Kompetenz und psychologische Sicherheit, besonders vor dem Hintergrund von Digitalisierung und Fachkräftemangel. Nicht nur werteorientierte Generationen wie meine Kinder möchten auf Augenhöhe agieren und behandelt werden, das gilt eigentlich für alle Generationen.
Wertvolle Beschäftigte werden durch motivationsfördernde Maßnahmen präventiv besser an das Unternehmen angebunden. Sie als Führungskraft spielen durch Ihre automatisch eingenommene Vorbildfunktion eine entscheidend Rolle dabei.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat Ihnen dazu mit ihrer 206-Reihe ein paar Informationen zusammengestellt und unterstützt Sie dabei, Sie selbst und Ihr Handeln als Führungskraft bewußter wahrzunehmen und zu reflektieren. Wie sehen mich die anderen? Wie möchte ich gesehen werden?
Schauen Sie doch gerne einmal rein, hier ist eine Auswahl:
DGUV Information 206-004 Die Mischung macht`s: Jung und Alt gemeinsam bei der Arbeit
DGUV Information 206-006 Arbeiten: entspannt – gemeinsam – besser
DGUV Information 206-034 Führung - Sicher und gesund durch kulturorientierte Führung
DGUV Information 206-036 Führung - Führungsleitlinien erstellen und umsetzen
DGUV Information 206-039 Kommunikation - Geben und Nehmen von Feedback
DGUV Information 206-044 Fehlerkultur - Mit Fehlern sicher und gesund umgehen
DGUV Information 206-053 Sicherheit & Gesundheit - in Veränderungsprozessen
Bitte geben Sie mir gerne kurz Bescheid wenn ein Link nicht funktioniert. Vielen Dank.
Kleiner Exkurs: Preußen zu Beginn des 19. Jahrhunderts
In Preußen war Friedrich Wilhelm III. aus dem Hause Hohenzollern seit 1797 König und blieb es bis 1840; eine geschlossene „Nation Deutschland“ gab es noch nicht, sondern den Deutschen Bund mit vielen Einzelstaaten.
Nach den Napoleonischen Kriegen und dem Wiener Kongress (1814/15) befand sich Europa in der restaurativen Ordnung der „Heiligen Allianz“, in der Monarchen ihre Herrschaft stabilisieren und revolutionäre Bewegungen unterdrücken wollten.
In Preußen betrieb Friedrich Wilhelm III. nach 1815 eine restaurative Politik: Er stärkte zwar Preußens Stellung im Deutschen Bund, verweigerte aber eine landesweite Verfassung und hielt an der monarchischen Autorität fest.
Die Zeit um 1818 gehört zur frühen Phase des 19. Jahrhunderts, geprägt von beginnender Industrialisierung, agrarisch geprägter Gesellschaft, ersten Fabriken und sich langsam entwickelnder bürgerlicher Öffentlichkeit.
Gleichzeitig wirkten Ideen der Aufklärung, der Französischen Revolution und des Nationalismus weiter: In vielen deutschen Staaten bildeten sich frühe nationale und liberale Bewegungen, die Verfassungen, Bürgerrechte und nationale Einheit forderten.
Die Herrscher versuchten diesen Tendenzen mit Zensur und Polizeistaat zu begegnen; die Zuspitzung dieser Konflikte führte in den folgenden Jahrzehnten in den sogenannten Vormärz und schließlich zur Revolution von 1848/49.